Eine Partnerschaft, die viel zu bieten hat
20. Mai 2021
Der Verein Spitalpartnerschaft KSW und Phonsavan ermöglicht seit über zehn Jahren einen regen Austausch zwischen dem Kantonsspital Winterthur (KSW) und dem Provinzspital Xiengkhouang in Phonsavan, Laos. Die Mitglieder engagieren sich auf freiwilliger Basis und unentgeltlich – doch ein Lohn bleibt nicht aus.
Das Provinzspital Xiengkhouang in Phonsavan, Laos, und das Kantonsspital Winterthur sind beide für eine Region mit rund 250’000 Einwohnerinnen und Einwohnern zuständig. Die Möglichkeiten im asiatischen Bergstaat sind im Vergleich zur Schweiz aber begrenzt, so umfasst das Spital in Phonsavan etwa 150 Betten und beschäftigt keine 300 Mitarbeitenden – rund 90 Prozent weniger als das KSW. Grund dafür ist auch die laotische Kultur, denn die Patientinnen und Patienten werden hier auch im Spital mehrheitlich von ihren Familien gepflegt.
Eine medizinische Grundversorgung, wie wir sie aus der Schweiz kennen, gibt es hingegen nicht – sie wäre schlicht zu teuer, denn die Kosten übersteigen häufig schon bei kurzen Spitalaufenthalten oder einfachen Behandlungen die finanziellen Mittel einer ganzen Familie. In Laos arbeitet man deshalb haushälterisch und versucht, die Behandlung bezahlbar zu halten, indem günstige Medikamente verwendet werden und auch Laborwerte werden weniger häufig ausgewertet als in der Schweiz.
Eine fruchtbare Zusammenarbeit
Dank dem Verein Spitalpartnerschaft KSW und Phonsavan konnten bereits 90 Mitarbeitende des KSW für Einsätze ins Provinzspital Xiengkhouang reisen. Sie kommen aus den verschiedensten Spitalberufen und verfügen über eine fundierte Ausbildung, praktische Erfahrung und viel Fachwissen. Dieses bringen sie in das Provinzspital in Laos mit und teilen es mit den Fachkräften vor Ort. Dabei spielt auch die Pflege und die Wartung von medizinischen Geräten eine wichtige Rolle. Dies sowie die lange und intensive Zusammenarbeit hebt die Spitalpartnerschaft von vielen Hilfswerken ab – 550 Arbeitswochen (ganze 10 Arbeitsjahre!) haben die KSW-Mitarbeitenden bisher zusammen geleistet.
Dabei haben sie Einblick in einen Spitalalltag erhalten, bei dem mit sehr beschränkten Mitteln viel erreicht wird. Hier kann es vorkommen, dass ein geübter Arzt eine Blinddarm-OP mit einem Fünftel des in Europa üblichen Operationsbestecks gleich schnell und sauber durchführt wie seine Schweizer Kollegen. Ein starkes Bewusstsein für die Kosten und die Effizienz einer Behandlung ist auch in der Schweiz wichtig. Von Jahr zu Jahr werden mehr Patientinnen und Patienten in immer höherer Qualität behandelt, ohne dass mehr Platz oder Zeit zur Verfügung steht.
Eine Erfahrung fürs Leben
Im Spitalalltag begegnet man sich auf Augenhöhe und gibt Wissen und Können direkt bei der Arbeit weiter. Zusammen erreichen die Menschen Erfolge und pflegen zudem einen zwischenmenschlichen Austausch – so bildet sich das Vertrauen, das in der Medizin besonders wichtig ist.
Die Mitarbeitenden bringen danach viele Erfahrungen mit zurück in die Schweiz und damit auch ans KSW. «Wer aus Laos zurückkommt, dem fällt auf, wie gut die Administration und der Betrieb im Spital funktionieren, und man bleibt sicher auch entspannter, wenn mal etwas nicht den Erwartungen entspricht», sagt Dr. med. Jacques Gubler, ehemaliger Chefarzt am KSW und Vizepräsident des Vereins Spitalpartnerschaft.
Warum dann überhaupt zurück in die Dritte Welt? «Es sind vor allem die Menschen vor Ort, welche die Mitarbeitenden des KSW immer wieder nach Laos bringen. Die Dankbarkeit und die Gastfreundlichkeit sind enorm», sagt Dr. Gubler.
«Wir sind mittlerweile ein Teil der Familien in Phonsavan, und es ist schön, zu sehen, was wir gemeinsam erreicht haben.»
Das Virus macht zu schaffen
Während COVID-19 in der Schweiz bereits seit über einem Jahr die ganze Gesellschaft stark fordert, konnte Laos das Virus lange auf Abstand halten. Die praktisch komplette Schliessung der Grenzen bewahrte das Land vor einer Epidemie, und in Phonsavan sind mittlerweile über 80 Prozent des Spitalpersonals vollständig geimpft.
Seit Anfang April steigt aber auch in Laos die Anzahl positiv getesteter Personen stark an – genau wie im benachbarten Thailand. Diese Entwicklung könnte das Gesundheitswesen in Laos trotz der vergleichsweise jungen Bevölkerung rasch überfordern. In der Hauptstadt werden deshalb Notspitäler aufgebaut, um die zu erwartenden Patienten betreuen zu können.
In Laos werden positiv getestete Personen wie in vielen anderen asiatischen Ländern isoliert und überwacht – so auch im Provinzspital in Phonsavan. Vereinsmitglieder aus der Schweiz beraten die Kollegen per Videokonferenz zu Isolations- und Behandlungsmassnahmen.
Es ist ein Gewinn für beide Seiten
Interview mit Dr. med. Jacques Gubler ist Vizepräsident des Vereins Spitalpartnerschaft Phonsavan (Laos) – KSW
Was ist das Ziel des Vereins?
Der Verein fördert die Zusammenarbeit zwischen den Spitälern und unterstützt das Provinzspital in Phonsavan durch Weiterbildungen und Material wie Monitoren, Infusionspumpen und Untersuchungsliegen, die im KSW nicht mehr gebraucht werden. Der grösste Teil unserer Arbeit besteht aber im alltäglichen Austausch mit den laotischen Fachkräften. Wie stark einen solche Erlebnisse prägen können, weiss ich aus persönlicher Erfahrung. Das möchte ich auch möglichst vielen Mitarbeitenden des KSW ermöglichen.
Was verbindet Sie mit Laos?
Durch die Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der Bevölkerung haben sich mittlerweile auch persönliche Freundschaften ergeben. Zusätzlich ist es sehr befriedigend, zu erleben, wie junge Ärztinnen und Ärzte, die wir zuerst in Phonsavan geschult und denen wir finanziell eine Facharztausbildung ermöglicht haben, nun mit umfangreichem Fachwissen ins Spital zurückkehren und hier Verantwortung übernehmen – es ist ein Gewinn für beide Seiten.
Was hat Sie in Laos besonders beeindruckt?
Bei offenen Knochenbrüchen bekamen die Patientinnen und Patienten lediglich eine Schmerztablette, wie sie bei uns zum Beispiel gegen einfache Kopfschmerzen verschrieben wird. Nach einer landesweiten Kampagne zur Ächtung von Opiumanbau und -gebrauch zu Anfang des Jahrtausends waren alle Opiate mit dem Stigma der Sucht verbunden. Dank dem Engagement des Vereins im Spital, bei politischen Behörden und beim Gesundheitsministerium werden heute zur Linderung von starken Schmerzen wieder geringe Dosen Morphium verwendet.
Dieser Artikel und das Interview sind ursprünglich am 20. Mai 2021 in der Winterthurer Zeitung erschienen.